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Aris San

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Als Aris San (geb. Aristeídis Seïsanás in Kalamata, Griechenland, 1940) 1957 in Israel ankam, war er nur ein namenloser griechischer Jugendlicher mit einer Gitarre. Als er 1969 das Land verließ, war er der erfolgreichste Musiker des Landes. Während seiner zwölf Jahre in Israel schaffte er es, nicht nur zu einer Ikone der Berühmtheit, des europäischen Chic und der musikalischen Mode zu werden, sondern auch zu einem Markennamen, der mit "Hochzeitsmusik", einem Arbeiterpublikum und Mizrahiyut ("Orientalischer Kultur" oder der Kultur der Juden des Nahen Ostens in Israel) assoziiert wird. San war ein Schlüsselakteur bei dem Aufstieg griechischer Musik – oder, genauer gesagt, des Konglomerats von Stilen, Klängen und Stereotypen, das dieser Begriff lose zusammenhält – von den verrauchten Räumen eines Einwanderercafés in Jaffa zu den prestigeträchtigsten Musikstätten Israels, den offiziellen Feiern zum Unabhängigkeitstag, dem nationalen Fernsehen und den Wohnungen führender Generäle und Politiker. In einer Ära, in der sich die Bouzouki weltweit als das Nationalinstrument Griechenlands etablierte, schwang San eine E-Gitarre als sein Soloinstrument. Durch den Einsatz von Bouzouki-Techniken und Melodieformeln schuf er einen einzigartigen, unverwechselbaren Klang, der sowohl an die Virtuosität der Bouzouki als auch an die der Rockgitarre erinnert. Auf diese und andere Weise gelang es seiner musikalischen Persönlichkeit, die beiden Fiktionen von der westlichen Moderne und der orientalischen Rückständigkeit zu durchkreuzen.

Ziel dieses Beitrags ist es, Sans Karriere als ein Fenster in die Aushandlungen kultureller Identitäten zu betrachten, die in den 1960er Jahren in Israel/Palästina (und im gesamten östlichen Mittelmeerraum) zwischen eurozentrischen nationalen Eliten und marginalisierten, oft mit orientalischen Geschmackskulturen assoziierten Gruppen stattfanden. Es wird Sans Karriere als Performer, Musiker, Clubmanager und Persönlichkeit des öffentlichen Lebens nicht nur um des Erzählens der Geschichte eines Individuums willen dargestellt: In all diesen Funktionen ermöglichte San die Entstehung von Mittelmeer-"Audiotopien": physische oder virtuelle klangliche Identifikationsräume, in denen musikalische Stereotypen von Ost und West sowohl mobilisiert als auch überwunden wurden und in denen ein ideales Mittelmeer skizziert wurde, das von Umm Kulthum bis zu mexikanischen Balladen alles umfasst.

Oded Erez (Fachbereich Musik, Bar-Ilan Universität) ist Dozent für populäre Musik und Filmmusik und arbeitet an der Schnittstelle von historischer Musikwissenschaft, Musikethnologie und Kulturwissenschaften. Seine Arbeit konzentriert sich auf die Beziehung zwischen Politik und Ästhetik, mit einem Schwerpunkt auf Musik in Israel und im Mittelmeerraum. Gegenwärtig arbeitet er an der Fertigstellung eines Buchmanuskripts über griechische Musik und ethnische Klassenpolitik in Israel.