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Im Anschluss Gespräch mit Malve Lippmann und Can Sungu

Wahrheit, Wirklichkeit, Repräsentation

Sie dienen Allah und den Deutschen
Michael Brückner / Peter Heller, BRD 1973, 25 min. OF, 16mm 

Die industrielle Reservearmee
Helma Sanders-Brahms, BRD 1971, 36 min., OF 

Ich war Fremd
Fritz Fischer / Lado Pavlik, BRD 1970, 5 min., OF, 16mm

Dokumentarisch = Dokument?
Fritz Fischer / Lado Pavlik, BRD 1974, 17 min. OF, 16mm

Warum baut eine hessische Eisengießerei eine Moschee für ihre muslimischen Arbeiter*innen? Sie dienen Allah und den Deutschen zeigt, wie eine Firmenleitung versucht, Religion als Instrument der Anpassung einzusetzen. Der Einsatz des Films für bessere Arbeitsbedingungen tritt dabei als autoritative Off-Stimme auf. Dokumentarisch = Dokument (?) zeigt, wie eine solche Erzählung filmisch konstruiert wird. Zwei Reportagen über die Wohnsituation von türkischen Arbeitern stehen sich gegenüber, beide sind aus dem gleichen Rohmaterial geschnitten. Wie Beweisdokumente reiht der Film Indizien für zwei komplett unterschiedliche Behauptungen aneinander. In Die industrielle Reservearmee weicht die Skepsis einer argumentativen Überzeugung. Bewaffnet mit Zitaten von Marx und Engels agitiert der Film für einen gemeinsamen Klassenkampf deutscher und ausländischer Arbeiter*innen. Der Titel des Films stammt aus der marxistischen Wirtschaftstheorie. Er bezeichnet eine „Schicht unter der Unterschicht“ auf die zurückgegriffen werden kann, wenn die Arbeiter*innen ihre Arbeit verweigern. Oder drastischer: „Für den Unternehmer ist ein Gastarbeiter bequemer als ein Sklave. Er kann ihn jederzeit ersetzen, bei gleicher Abhängigkeit.“ Ich war fremd schließlich entzieht sich vollständig einer didaktischen Haltung. Rasant geschnittene Szenen einer Baustelle werden unterbrochen durch fiebrige Bild-Ton-Montagen und enden in einem kleinen Mikrodrama. (KA)

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Malve Lippmann studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und am Institut für Kunst im Kontext (UdK) in Berlin. Als freiberufliche Bühnenbildnerin und Künstlerin zeichnete sie international verantwortlich für die Gestaltung zahlreicher Performances, Opern- und Schauspielproduktionen. Seit 2010 ist Malve Lippmann als Kuratorin und Kulturmanagerin tätig, leitet künstlerische Workshops und Seminare und ist in diversen Kultur- und Community-Projekten aktiv. Sie ist Mitbegründerin und künstlerische Leiterin von bi’bak und SİNEMA TRANSTOPIA.

Can Sungu studierte Filmdesign und visuelles Kommunikationsdesign in Istanbul und am Institut für Kunst im Kontext an der UdK Berlin. Er leitete Workshops und Seminare im Bereich Film und veröffentlichte Texte zu Film und Migration. Als Künstler nahm er an zahlreichen Ausstellungen teil, unter anderem an der MMSU Rijeka, dem Künstlerhaus Vienna und REDCAT Los Angeles. Er ist Mitbegründer und künstlerischer Leiter von bi'bak.