Ob Tourist*innen oder Migrant*innen, Flüchtende, Exilant*innen oder Expats – die Welt ist in Bewegung und Mobilität hat viele Gesichter. Am Ende sind wir alle Reisende, Travelling People, mit unterschiedlichen Antriebsgründen, Voraussetzungen und Chancen, aber auch Überschneidungen in Zeit und Raum.
Wann verändert sich der Status von Migrant*in zu Tourist*in? Und wann wird ein*e Tourist*in zur Migrant*in? Welche komplexen Signale oder Symbole verraten diesen Status? Und wie ist das Verhältnis zwischen den verschiedenen Gruppen, deren Übergänge oft fließend sind?
Anhand von Architektur und urbanen Entwicklungen, Reiseberichten und Filmen, Vorträgen und Diskussionen geht die Programmreihe We, Travelling People der Frage nach, wie, wo und von wem die Grenzen zwischen den verschiedenen Mobilitätsformen gezogen werden.
Gefördert von der Stiftung Nord-Süd-Brücken aus Mitteln der BMZ.
Can Sungu studierte Filmdesign und visuelles Kommunikationsdesign in Istanbul und am Institut für Kunst im Kontext an der UdK Berlin. Er leitete Workshops und Seminare im Bereich Film und veröffentlichte Texte zu Film und Migration. Als Künstler nahm er an zahlreichen Ausstellungen teil, unter anderem an der MMSU Rijeka, dem Künstlerhaus Vienna und REDCAT Los Angeles. Er ist Mitbegründer und künstlerischer Leiter von bi'bak.
Malve Lippmann studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und am Institut für Kunst im Kontext (UdK) in Berlin. Als freiberufliche Bühnenbildnerin und Künstlerin zeichnete sie international verantwortlich für die Gestaltung zahlreicher Performances, Opern- und Schauspielproduktionen. Seit 2010 ist Malve Lippmann als Kuratorin und Kulturmanagerin tätig, leitet künstlerische Workshops und Seminare und ist in diversen Kultur- und Community-Projekten aktiv. Sie ist Mitbegründerin und künstlerische Leiterin von bi’bak und SİNEMA TRANSTOPIA.
Hotel Very Welcome erzählt die Erlebnisse von fünf Rucksacktourist*innen in Thailand und Indien. Josh und Adam sind Freunde, die in erster Linie an Frauen und Strandparties interessiert sind. Ihre Freundschaft wird auf die Probe gestellt, als der eine kein Geld mehr hat und auf die Gnade des anderen angewiesen ist. Svenja steckt in einem Hotelzimmer in Bangkok fest und telefoniert tagelang mit einem Callcenter, um einen Rückflug zu organisieren. Liam reist durch Indien auf der Suche nach dem ultimativen Drogenerlebnis. Marion versucht sich in einem Ashram in Meditation. Der Film hinterfragt ironisch die Möglichkeiten einer globalisierten Sinnsuche und verdichtet sich dabei zu einem leichten, dennoch kritischen Portrait der Backpacker-Generation.
Svenja Steinfelder ist Schauspielerin und Autorin, bekannt für Hotel Very Welcome (2007) und Christina ohne Kaufmann (2004).
Regie Tania Masi und Alessandro Cassigoli
Deutschland 2013
61 min.,
OmeU
Im Anschluss Gespräch mit Tania Masi und Alessandro Cassigoli
Die Dokumentation La Deutsche Vita zeigt Berlin aus der Sicht von Alessandro Cassigoli, einem Italienischen Immigranten. Nach sieben Jahren in der deutschen Hauptstadt macht es sich Cassigoli gemeinsam mit Tania Masi aus Florenz und dem Brasilianer William Chicarelli zur Aufgabe, die italienische Community in Berlin zu erkunden. Mitten in einem der „härtesten Winter, die Berlin je gesehen hat” leiden die Italiener*innen nicht nur unter Kälte, Schnee und schlechtem Kaffee – der Protagonist und Schauspieler Max hat auch immer wieder damit zu kämpfen, dass er bei Castings nur die Rolle des Russen oder Polen zugewiesen bekommt. Für einen Italiener sehe er nicht italienisch genug aus. Der Film spielt humorvoll mit Klischees und Vorurteilen und zeigt so die Absurditäten „authentischer” Illusion.
Tania Masi studierte Stadtsoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und Filmproduktion und Drehbuch an der International School of Film an der New York University. Seit 2006 ist sie als freie Journalistin für RAI TV, Globo News, Zeitungen und Online-Magazine in Berlin tätig. Gleichzeitig pflegt sie ihre Leidenschaft für das Kino und arbeitet als internationale Vertriebsassistentin bei Festivals wie Cannes, Venedig und Berlin für die Vertriebsgesellschaft Studio City Pictures. La Deutsche Vita ist ihr erster Dokumentarfilm.
Alessandro Cassigoli wurde 1976 in Italien geboren. Er besuchte die Filmschule in Rom und arbeitete als Regieassistent für zahlreiche Filmproduktionen und beliebte Fernsehserien.
Im Rahmen der Reihe We, Travelling People lädt Angelos Tsaousis, bi'baks Fellow vom START - Create Cultural Change Program 2018, zu einem Screening seines Dokumentarfilms The New Plastic Road über die neue Seidenstraße ein. Gemeinsam mit Sofia Stavrianidou von Hellas Filmbox Berlin wird nach dem Film bei Fingerfood-Spezialitäten aus Tadschikistan über die Entwicklung der neuen Handelsroute durch Zentralasien und Tsaousis Film diskutiert.
The New Plastic Road zeigt den allmählichen wirtschaftlichen und sozialen Wandel in den entlegenen, mittellosen Gemeinden der autonomen Region Gorno-Badakhshan östlich von Tadschikistan im Pamir-Gebirge. Ausgelöst durch die Entscheidung Chinas, seine Grenze zu Tadschikistan im Jahr 2004 zu öffnen, folgte der anhaltende Versuch, die alte Seidenstraße wiederzubeleben, welche die Region nun zum ersten Mal seit dem Fall der Sowjetunion mit dem Rest der Welt verbinden soll. Um die damit einhergehenden Veränderungen für die Region, aber auch für die ganze Welt begreifbar zu machen, folgt der Dokumentarfilm Davlat, einem tadschikischen Händler, der in der Bergstadt Khorog an der Grenze zu Afghanistan lebt. Durch den Einblick in seine Welt der Arbeit, der Familie und des Handels wird deutlich, dass die (Seiden-) Straße, von der er abhängig ist, einen einzigartigen Charakter hat, der ihn - und uns - mit Begegnungen, Geschichten und eine neuer Hoffnung für nachfolgende Generationen versorgt.
Angelos Tsaousis ist Dokumentarfilmemacher aus Thessaloniki. Im Herbst 2017 absolvierte war er im Rahmen des START-Programms Fellow bei bi'bak in Berlin. Er studierte Kommunikationswissenschaften mit Spezialisierung auf Dokumentarfilm und gründete DocRepublic – ein Dokumentarfilm-Hub für digitales Storytelling und öffentlichen Dialog. Sein Ziel ist es, das Potenzial des Einsatzes von Dokumentarform als Bildungsinstrument zu erkunden.
Die letzten Männer Ulrich Seidl, Österreich, 1994, 44 min
Der Dokumentarfilm Die letzten Männer begleitet österreichische Männer, die sich mit der zunehmenden Emanzipation ihrer Frauen nicht abfinden können. Der Lehrer Karl Schwingenschlögl sucht sein Glück daher in Fernost, wo er hofft, eine Frau nach seinen Vorstellungen zu finden. „Sauber, häuslich, sparsam und unterwürfig“ sind die Attribute, die seine zukünftige Ehefrau haben sollte. Doch die Erfüllung dieser Vorstellung erweist sich als schwieriger als erwartet.
Paradies: Liebe Ulrich Seidl, Österreich, 120 min.
Der Film Paradies: Liebe erzählt als erster Teil der Trilogie Paradies: Liebe, Glaube, Hoffnung vom Sextourismus in Kenia. Die 50-jährige Teresa, alleinerziehende Mutter einer pubertierenden Tochter, reist nach Kenia, um dort einen Mann kennenzulernen. Der Film stellt die anfängliche Hoffnung der Wienerin auf Zuneigung und ihre allmähliche Enttäuschung dar. Am Ende wird Teresa mit der bitteren Wahrheit konfrontiert: Prostitution bleibt Prostitution und Liebe wird dabei lediglich als kommerzielles Gut gehandelt.
frontend.im_anschluss_x. Dr. Christoph Scheurle und Van Bo Le-Mentzel
Gibt es Alternativen zu Containerdörfern? Wie gestalten wir Nachbarschaften in einer Einwanderungsgesellschaft? Wie müssen wir neu arbeiten, lernen und lehren, um die großen Herausforderungen der Zukunft zu meistern? Und wie lässt sich die menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten organisieren? Diese Veranstaltung beschäftigt sich im Rahmen der Reihe We, Travelling People mit der Architektur von Räumen, deren Nutzung temporär und unbestimmt ist und an denen sich Nutzungskontexte überschneiden.
Das architektonische Projekt Hotel Lageso von Van Bo Le-Mentzel zählt zu diesen temporären Wohnorten, die als „Schutzraum” für die Menschen dienen sollen, die von der fehlerhaften deutschen Flüchtlingspolitik am stärksten betroffen sind. Neben weiteren Gästen stellt Van Bo Le-Mentzel seine Arbeit vor. Gemeinsam diskutieren wir die Thematik alternativer Wohnkonzepte im Kontext von Flucht und Migration.
Das Gespräch wird moderiert von Dr. Christoph Scheurle, Professor for Angewandte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis at the FH Dortmund
Gefördert durch die Stiftung Nord-Süd-Brücken aus Mitteln der BMZ.
Christoph Scheurle ist Professor for Angewandte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der FH Dortmund. Er studierte an der Universität Hildesheim.
Van Bo Le-Mentzel, geboren 1977 in Laos, wurde bekannt durch das Design der „Hartz-IV-Möbel“ zum Selbstbau mit geringem Kostenaufwand. 2015 war er Gastprofessor an der Hochschule für bildende Künste Hamburg
Regie Hind Benchekroun und Sami Mermer
Kanada 2016
89 min.,
OmeU
Der Film Callshop Istanbul erzählt die Geschichten von Migrant*innen in Istanbul, für die die türkische Metropole vor allem eine Zwischenstation auf dem Weg ins vielversprechende Europa bedeutet. Sie landen auf der Suche nach einer besseren Zukunft in dieser Stadt. Desillusionierte Unterstützer*innen des arabischen Frühlings und Migrant*innen ohne Papiere aus dem subsaharischen Afrika drängen sich in den Callshops der Stadt. Auffindbar an jeder Straßenecke geben diese Orte die Möglichkeit, eine Verbindung in die Heimatländer herzustellen.
Workshop: 24.11. von 15 bis 18 Uhr Vernissage mit Diskussion: 24.11. um 20 Uhr Ausstellung: 24.11. ab 20 Uhr & 25.11. von 14 bis 18 Uhr
Wo Migration und Tourismus stattfinden, bewegen sich nicht nur die Menschen, sondern mit ihnen auch Dinge und Objekte, die oft ganz eigene Geschichten erzählen.
Dinge können retrospektiv Migrationsgeschichte widerspiegeln oder ganze Erinnerungswelten für die Menschen enthalten, die den Großteil ihres Besitzes hinter sich lassen mussten. In Form von Souvenirs, die von Urlauber*innen mit nach Hause gebracht werden, verraten sie viel über das Verhältnis der Reisenden zum Urlaubsland und ihre Ideen von Authentizität. Andere Dinge, die wir als fest kulturell in Deutschland verankert betrachten, sind ursprünglich aus anderen Weltregionen “migriert”. Die Betrachtung der Mobilität von Dingen im Kontext der Mobilität von Menschen beleuchtet die materielle Bandbreite von Souvenirs über Gastgeschenke bis hin zu den Gegenständen, die Menschen auf der Flucht bei sich haben.
Jede*r von uns hat wohl solche “bewegten Dinge” bei sich zuhause und auch in den Straßen und Schaufenstern Berlins lassen sich viele solcher Dinge ausmachen. In einem Workshop begehen wir mit verschiedenen Such-Aufträgen die Nachbarschaft und nähern uns anschließend schriftlich über die Beschreibung der Dinge ihren möglichen Bedeutungen und Positionen an. Verschiedene Methoden des kreativen Schreibens helfen dabei, eine narrative Kurzbeschreibung der Objekte zu erstellen. Im Rahmen des Ausstellungswochenendes der Kolonie Wedding werden die Fundstücke anschließend im Raum von bi’bak präsentiert.
Um 20 Uhr eröffnet die Ausstellung mit einer Diskussionsrunde zum Thema Dinge auf Reisen. Als Gäste kommen Dr. Claudia Tittel von der Bauhaus Universität Weimar, die mit ihren Studierenden im Sommer die Ausstellung Migration der Dinge organisierte, sowie die Münchner Fotografin Sima Dehgani, die über ihre Fotostrecke Ein Stück Erinnerung berichten wird.
Workshopleitung: Maike Suhr
Gefördert durch den Aktionsfonds des QM Soldiner Strasse im Rahmen des Programms Zukunftsinitiative Stadtteil Teilprogramm Soziale Stadt – Investition in die Zukunft und die Stiftung Nord-Süd-Brücken aus Mitteln der BMZ.
Claudia Tittel ist wissenschaftliche Assistentin (Post-doc) am Lehrstuhl Geschichte und Theorie der Kulturtechniken an der Bauhaus-Universität Weimar. Sie studierte Kunstgeschichte und Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und Université Paris I – Panthéon-Sorbonne sowie Architektur und Stadtplanung an der Ecole d’Architecture de Belleville Paris und promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Der Film Havarie von Philip Scheffner zeigt auf eindrückliche Weise die Begegnung eines Kreuzfahrtschiffes und eines havarierten Flüchtlingbootes vor Spanien. Einer der Passagiere des Kreuzfahrtschiffes beobachtet die Seenot der Geflüchteten und filmt das Geschehen. Scheffner arbeitet mit dem so entstandenen dreieinhalbminütigen Youtube-Video, indem er es auf Spielfilmlänge ausdehnt und mit einer collagenhaften Geräuschkulisse unterlegt. Das Konzept orientiert sich am gleichnamigen Krimiroman von Merle Kröger.